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Zimmermann, der ich bin, habe ich mich nicht zu beklagen...
...denn mein Gewerk ist verstärkt in das öffentliche Interesse gerückt, und die Compagnons wurden auf der Suche nach Insiderinformationen und sicher auch einem besonderen medialen Scoop konsultiert. Welche Form und welche Materialien beim Aufbau des künftigen Dachstuhls zum Einsatz kommen werden, weiß Gott allein, und sicher wird der Bauauftrag demjenigen zuteil, der ihm nahe steht. Nach diesem Kulturschock wollen wir wieder ein wenig Besonnenheit in die Debatte bringen. Bei meiner Zimmermannsehre: So imposant der Dachstuhl auch sein mag, so ist er dennoch nicht komplex: In der Konstruktionszeichnung besteht die einzige Schwierigkeit im konstruktiven Anschluss des Spitzturms, der über der Vierung des Hauptschiffs und des Querschiffs errichtet wurde; wir haben es hier mit einem geraden Anschluss zu tun; die Schwierigkeit liegt in der Lastenverteilung, vornehmlich der des Verbindungselements. Aber zur heutigen Zeit sind diese Probleme lösbar. Hinsichtlich des Umfangs des gesamten Auftrags benötigen die heutigen Verfahren zudem keine Heerscharen an hochqualifizierten Zimmerleuten.

Anzumerken ist, dass die Maurer, Dachdecker und Steinmetze wenig im Gespräch waren! Bedauernswert, denn vor dem Aufsetzen eines neuen Dachstuhls werden Reparaturarbeiten am Mauerwerk erforderlich sein: Die Schäden sind weniger spektakulär, dennoch erheblich. Im Hinblick auf die Gewölbe haben die Steine, die noch standgehalten haben, eine Überhitzung erfahren und müssen ersetzt werden. Um sie zu setzen, wird ein Lehrgerüst angefertigt werden müssen: Das höchste Gewölbe ragt 33 Meter über dem Boden empor. Um sich davon eine konkrete Vorstellung zu machen: Das entspricht ungefähr der Höhe eines 12-stöckigen Gebäudes! Zweifelsohne ist das alles machbar, aber diese Schalungen des Kreuzgewölbes stellen doch eine komplexere Anforderung als der oben erwähnte Anschluss des Spitzturms dar.

Wenn auch für den erforderlichen Steinschnitt mechanische Werkzeuge eingesetzt werden, wird ihr Setzen jedoch von Hand erfolgen, Stein für Stein. Hinsichtlich der Dacheindeckung wird es sich, ungeachtet des eingesetzten Materials, um eine gewaltige Arbeit handeln, bei der ebenfalls reine Handarbeit zum Einsatz kommt, somit werden qualifizierte Dachdecker gebraucht werden. Und beim Betrachten des vorhandenen Potentials an Fachkräften ist augenfällig, dass weniger Steinmetze und Dachdecker als Zimmerer ausgebildet werden; das Problem liegt also auf der Hand! Das mag nur ein kleines Detail sein, aber warum nicht an die Aufräumarbeiten des Unglücksortes und an die riesige "Bleipfütze" denken, die immerhin auf 250 t geschätzt wird?
All diese Aspekte werden den Wiederaufbau von Notre-Dame in Paris ausmachen, und alle Gewerke werden die Geschichte dieses Baudenkmals neu schreiben. Niemand weiß bislang, welchen Platz die Menschen und besonders die Compagnons bei diesem Unternehmen einnehmen werden. Dieses war auch die immer wiederkehrende Frage der Medien: Werden die Compagnons bei der Restaurierung eingesetzt werden?
Auch hier hat man wenig oder gar nicht den Zusammenhang zwischen der Wandergesellenbewegung und dem Kathedralbau erklärt. Ganz einfach: Ohne die Kathedralen gäbe es sicherlich keine Wandergesellenbewegung. Aber im Gegensatz zu dem, was manchmal gesagt wird, haben die Compagnons nicht die Kathedralen erbaut, es ist hingegen die Glanzzeit des Kathedralbaus (darunter Notre-Dame), die die französische Wandergesellenvereinigungen entstehen ließ.

Die Kathedralen markieren also den historischen Ursprung der französischen Wandergesellenbewegung, aus der hervorgegangen ist, was wir heute leben – das ist unsere Geschichte der französischen Gesellenbewegungen.
Wenn es um den Platz der Wandergesellen beim Wiederaufbau geht, so wird dieser auf höchstem Niveau zu finden sein, denn Muriel Pénicaud, Minister für Arbeit, Jean-Michel Blanquer, Minister für Volksbildung und Jugend und Franck Riester, Kulturminister, haben am 14. Mai die Nominierung von Michel Guisembert bekannt gegeben, seines Zeichens compagnon du devoir, an die Spitze des Projekts "Baustellen Frankreichs", welches für den Wiederaufbau von Notre-Dame und die Restaurierung des französischen Kulturgutes aufgestellt worden ist. Ein Platz, der nur zu gutem Recht demjenigen zuteil wird, der seit 2012 Präsident der WorldSkills France – COFOM ist, ein Weg der Exzellenz. Und außerdem werden gewiss Compagnons in diversen Unternehmen, die mit den Bauarbeiten beauftragt sind, mitwirken .
Zum Abschluss sei hier die Geschichte des Spitzturms von Notre-Dame erzählt, dessen Schöpfung eine Idee des Architekten Viollet-le-Duc (1814 – 1879) war: Es wäre schade, sie nicht zu erzählen, denn sie wird vermutlich auf immer in Vergessenheit geraten. In ihren Archiven bewahren die "Compagnons Charpentiers Des Devoirs" (Vereinigung der zünftigen Zimmerergesellen) seine Geschichte auf. Diese ist auf einer kleinen Inschriftentafel des Dachstuhls notiert – wenn auch weniger elegant als dieser – und somit ebenfalls Opfer der Flammen geworden. Sie erzählt die Verbindung zwischen dem Architekten, dem Spitzturm und den Compagnons mit folgenden Worten: Dieser Spitzturm ist im Jahr MDCCCLIX errichtet worden, M Viollet-le-Duc war zu der Zeit der Architekt der Kathedrale, durch den Unternehmer Bellu (im frz. Text fehlt die letzte Silbe : Bellu entrepre- (neur*), Georges war Baustellenleiter der Zimmermannsgesellen, compagnons charpentiers du Devoir de Liberté. Diese Tafel enthält im Kopfteil einen flammenden Stern und im unteren Teil das Zunftzeichen der Zimmerergesellen (charpentiers du Devoir de Liberté) mit den Buchstaben.

Wie Sie bemerken, gibt es keinen Vornamen für den Zimmerer Georges, das entsprach dem Brauch, jedoch einen Beinamen, den der Compagnon trug und welcher eine ihn besonders auszeichnende Eigenschaft bezeichnete, den Familiennamen ergänzend: eine Erinnerung an jene Zeit, in der die Wandergesellenbewegung verboten war.
Dank genannter Archive der C :. C :. D :. D :. (Anm. Übersetzer: Abkürzung der betreffenden Vereinigung der zünftigen Zimmerergesellen) wissen wir ein wenig mehr über "Georges", Zimmerer der "Devoir de liberté": Sein Compagnon-Name war "l?Enfant du Génie" ("Kind des Genies"), und als er bei der Errichtung des Spitzturms von Notre-Dame tätig wurde, hatte er gerade den Turm der Kathedrale Sainte-Croix von Orléans im 1858 beendet, errichtet unter der Leitung des Architekten Emile Boeswillwald (1815 – 1896). Ferner ist ihm die Errichtung des Turms der Sainte-Chapelle de Paris (Heiligen Kapelle von Paris), die vom selben Architekten erbaut worden war, zu verdanken. Es handelt sich also um eine langjährige und anerkannte Erfahrung, die die Wahl dieses Gesellen durch Viollet-le-Duc erklärt, um den Spitzturm der Notre-Dame von Paris zu bauen.
Er war wahrhaft ein Mann des Genies, hervorgegangen aus der Tradition der Exzellenz, die die Kathedralbauer des Mittelalters auszeichnete.
Jean-Paul Chapelle
Dieser Beitrag ist von Jean-Paul Chapelle und kommt aus dem BULLETIN Ausgabe 77.
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